Internationaler Strafgerichtshof

Internationaler Strafgerichtshof und die Position der USA

7. Zusammenfassende Bewertung

Die Position der USA gegenüber der Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs hat sich zwischen 1945 und 1998 viermal grundlegend geändert.
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren es die USA, die mit der Initiierung der Nürnberger Prozesse ein Zeichen für die justizförmigen Umgang selbst mit solchen Menschheitsverbrechen setzten, deren Unrechtsgehalt unmöglich noch in konventionellen Strafen ausgedrückt werden kann[189]. Diesen Rechtsgedanken führten die USA jedoch nicht lange fort. Ihre Position wandelte sich um das Jahr 1950 zum ersten Mal. Mit Beginn des „Kalten Krieges“ standen sie selbst völkerrechtlich in der Defensive. Schnell wurde die Haltung der USA gegenüber einer internationalen Strafgerichtsbarkeit skeptisch, auch weil sie erkennen mussten, dass Fragen von Krieg und Frieden in der Weltgemeinschaft unterschiedlich bewertet wurden[190]. Mit der Verschärfung des „Kalten Krieges“ in den 1960er Jahren verwandelte sich die Skepsis gegenüber der Realisierbarkeit eines Internationalen Strafgerichtshofs in die offene Ablehnung einer solchen Instanz. Damit hatte sich die Grundhaltung der USA ein zweites Mal geändert[191]. Erst mit dem Ende der Blockkonfrontation zu Beginn der 1990er Jahre änderte sich die Haltung erneut. Zum einen schien nun aus Sicht der USA eine neue Möglichkeit zur konstruktiven Verständigen mit den anderen verbleibenden Großmächten gegeben. Zum anderen waren aufgrund eines Regierungswechsels in den USA nun Personen an der Macht, die teilweise selbst durch die Proteste gegen das Vorgehen der USA in Vietnam politisiert wurden und die eine multilaterale Außenpolitik deutlich stärker befürworteten als ihre Vorgänger[192]. Erst im Sommer 1998, kurz vor der Konferenz in Rom, vollzog sich ein vierter Wandel in der Position der USA gegenüber der Errichtung des ICC. In einem innenpolitischen Machtkampf hatte sich das Lager derjenigen durchgesetzt, die in einem ICC zuvorderst eine Bedrohung der amerikanischen Souveränität und außenpolitischen Handlungsfreiheit erblickten. Die US-Regierung gab dieser Position nach und stellte sich auf der Konferenz in Rom gegen die Errichtung eines starken, unabhängigen ICC[193].
Zumindest die Entwicklung der Position der USA bis in die 1990er Jahre - als die Haltung sich änderte, ohne dass sich zugleich die maßgeblichen Akteure änderten - macht eines deutlich: Die Frage nach der Legitimität eines Internationalen Strafgerichtshofs ist stets zutiefst politisch, auch wenn sie in rechtliche Fragestellungen eingekleidet sein mag. Mit der Änderung der weltpolitischen Lage änderte sich nicht etwa mit einem Mal die Haltung der USA zu abstrakten juristischen Fragen. Vielmehr führte jeweils eine Verschiebung der politischen Prioritäten zu neuen rechtlichen Positionen und Argumentationen.
Diese Beobachtung gilt freilich nicht weniger für andere internationale Akteure, die bei der Errichtung des ICC eine Rolle spielten. Die vorliegende Untersuchung hat sich auf die USA konzentriert, die Positionen anderer Akteure und deren Wandlung konnten nur gestreift werden. Eine eigenständige Untersuchung dieser Positionen an anderer Stelle wäre jedoch nicht weniger interessant und, diese Aussage kann hier gewagt werden, nicht weniger aufschlussreich über die Rolle des politischen Wunsches als Vater des juristischen Gedankens.

[189] Siehe oben: 2.

[190] Siehe oben: 3.

[191] Siehe 4.

[192] Siehe 5.

[193] Siehe VI.
Webkataloge